Von ZUSE bis GRAFIS – die Entwicklung von CAD/CAM in der Mode
Die Geschichte der Schnittmustersysteme
Die Chronologie: ZUSE Z 451 über EUROLOG bis GRAFIS
1962 Dipl.-Ing. Dieter Heßland unterbreitete Dr. Konrad Zuse seinen Entwicklungsvorschlag
1963 Dipl.-Math. Otto Suppes begann mit der Systemplanung
1966 Erste Ergebnisse konnten mit Heßland und verschiedenen Bekleidungsherstellern diskutiert werden.
1967 Bis Februar 1968 konnte das System der Bekleidungsindustrie in Bad Hersfeld präsentiert werden.
1968 Im Oktober begann meine Mitarbeit bei ZUSE im Z 451-Entwicklungs- und Fachvertriebs-Team.
1971 Im Juli wurde die ZUSE KG von der SIEMENS AG übernommen und auch das Z 451-Team aufgelöst.
Ich trat meinen neuen Dienst bei einem ZUSE-Kunden, der Firma EUROLOG GmbH in Hamburg an. Ein Ingenieurbüro-Dienstleister, der das Z 451-System dort schon als Schnitt-Service-Abteilung in Betrieb genommen hatte.
1972 Das von ZUSE übernommene Z 451-Basis-Programm wurde von Otto Suppes in die Hardware-unabhängige Programmiersprache FORTRAN übersetzt. EUROLOG entwickelte die Software weiter, um sie mit aktueller Hardware betreiben zu können.
1975 Im Oktober wurde die EUROLOG-Tochterfirma: EUROLOG Service GmbH gegründet, die in Zusammenarbeit mit den Aristo-Werken in Hamburg in den Folgejahren ein zukunftsorientiertes EUROLOG Schnittmuster-Gradiersystem entwickelte.
1976 Der Geschäftsschwerpunkt lag zunächst im Dienstleistungsbereich. DFÜ wurde möglich: Die Datenerfassung erfolgte bei den Kunden - Die Schnittsätze-Produktion war auf Hamburg konzentriert.
Der hohe Qualitätsstandard der EUROLOG-Schnittsoftware wurde bekannter.
1981 Der Wettbewerb mit den internationalen Schnittsystem-Komplettanbietern wurde stärker. ARISTO und EUROLOG bauten das System weiter aus. Hinzu kam die Schnittbildoptimierung-Software. Die besondere EUROLOG-Digitalisier- und Gradiersoftware mit der systembedingt niedrigen Fehlerquote wurde auf Verlangen der Kunden auch an Wettbewerbssysteme anpasst.
1984 EUROLOG bot nun auch eigene Komplettsysteme sehr erfolgreich gegen den internationalen Wettbewerb an. Eine Reihe der anspruchsvollen DOB-Bekleidungshersteller wechselten vom EUROLOG-Dienstleistungskunden zum EUROLOG-Komplettsystemkunden.
1988 Meine Geschäftsführertätigkeit in der EUROLOG Service GmbH beendete ich aus privaten Gründen zum 1.4.1988. Ich führte in der Übergangszeit freiberufliche Beratungen bei EUROLOG-Anwendern durch.
1989 Zum 1.3.1989 erhielt ich den Ruf zum Professor BT von der Freien und Hansestadt Hamburg an die
FH Hamburg, FB Gestaltung.
1990 bis 1999 Nach der Wiedervereinigung lernte ich den Physiker Prof. Dr. Claus Friedrich kennen. Er hatte in der DDR bis vor wenigen Jahren ein 3D-Konstruktionssystem GRAFIS entwickelt, das zunächst in der Schuhindustrie eingesetzt werden sollte. Ende der 80er Jahre hatte er sich aber auf die Bekleidungskonstruktion konzentriert.
Ich hatte mir die Konstruktion statt der Gradierung der Schnitte schon immer gewünscht. In der Bundesrepublik ließ sich der Entwicklungsaufwand aus wirtschaftlichen Gründen nicht durchsetzen. Kurz, Prof. Dr. Friedrich und ich lernten uns unmittelbar nach der Wende kennen und beschlossen eine enge Zusammenarbeit. Friedrich strebte zunächst ein „Schulsystem Bekleidungskonstruktion” an. Ich hatte gute Verbindungen mit den namhaften Bekleidungsherstellern, die Schnittsysteme verschiedener Hersteller im Einsatz hatten. In sehr enger Zusammenarbeit mit mir entwickelte Friedrich das System GRAFIS zum Schulungssystem weiter. Nach den ersten sehr positiven Erfolgen und Anerkennungen in der Fachwelt baute Prof. Dr. Friedrich das System GRAFIS zu einem professionellen Anwendungssystem weiter aus.
Der wesentliche Funktionsunterschied zu den damals sich am Markt befindenden Bekleidungssystemen: GRAFIS gradiert nicht, GRAFIS konstruiert alle Größen! Wesentlichster Vorteil: Die Fehlerquote in der Modellgestaltung und Erstellung der Größensätze konnte gegen Null reduziert werden.
An der FH Hamburg bauten wir ab 1991 ein CAD-Labor mit GRAFIS auf und aus. Prof. Dr. Claus Friedrich erhielt zeitgleich eine Professur an der FH Niederrhein in Mönchengladbach und richtete dort auch ein CAD-Labor mit GRAFIS-Systemen für Bekleidungskonstruktion und -gestaltung ein. Viele Hochschulen bilden seitdem ihre BT-Studierenden – neben an den herkömmlichen Verfahren – auch an diesen zukunftsweisenden Konstruktionsverfahren aus.
Das GRAFIS-System zählt seit Mitte der 90er Jahre bis heute zu den Spitzensystemen am Markt der Systemanbieter, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der bekleidungstechnischen Flexibilität, Sicherheit und dem Preis-Leistungsverhältnis. Es ist für die hochwertige Serien-Schnittentwicklung, wie auch für das individuelle Handwerk bestens geeignet.
Es gab daneben ein weiteres, heute noch weltweit bedeutendes Wettbewerbssystem aus Deutschland, das sich auch mit der Bekleidungskonstruktion beschäftigt hat: Assyst. Auch dieses Unternehmen entwickelte in den 90er Jahren parallel zur Gradiermethode ein Schnittvergrößerungssystem nach dem Konstruktionsverfahren für schnitttechnisch besonders anspruchsvolle Bekleidungshersteller.
Als beruflich auf qualitativ hochwertige Bekleidungskonstruktion spezialisierter Schnittexperte habe ich diese Bereiche der Software-Entwicklungen besonders beobachtet. Trotzdem möchte ich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und Fehlerfreiheit meiner Ausführungen erheben.
Nach meiner Pensionierung im Jahre 1999 habe ich die weiteren Entwicklungen der spezifischen Systemanbieter nicht mehr verfolgt.
Drei Generationen von Schnittmuster-Größensätze-Erstellung
ZUSE KG,
Hünfeld
EUROLOG Service GmbH, Hamburg
GRAFIS Software Dr. K. Friedrich GbR, Viersen